Sonntag, 5. Dezember 2010

Weihnachtsgeschichten aus der Vergangenheit

Der  Wein - nachtsmann




„Du könntest doch eigentlich dieses Jahr für die zwei den Weihnachtsmann spielen. Mein Vater liegt gerade im Krankenhaus und sonst wüsste ich im Augenblick auch niemanden, wer dafür noch in Frage kommen könnte. Ist ja Weihnachten und so etwas verantwortungsvolles kann auch nicht jeder machen.“

So ungefähr hörte es sich vor ca. 25 Jahren an, als die Frau meines besten Freundes mich um jene Kleinigkeit bat. Allerdings war ich damals auch noch nicht so mit der feinen weiblichen Sprache sensibilisiert wie heute, so das meine Alarmanlagen bei der Ausdrucksweise jener Bitte auch nicht anschlugen. Ich bemerkte den feinen Unterton bei den Worten „in Frage kommen“ und „ verantwortungsvoll“ nicht, fühlte mich hingegen gebauchpinselt.
„Meinst du?“, war deswegen auch meine einzige schwache, geistig männliche Gegenwehr.
„Na klar. Ausserdem gibt es auch anschliessend was feines zum Abendessen und wir können wieder einmal in Ruhe Quatschen und so.“ 

Diese Frau verstand es ausgezeichnet, meine noch nicht einmal gedanklich formulierten Gegenargumente, gleich in ihren Grundfesten zu zerstören. Kein Wunder, kannten wir uns schon aus einer  Zeit, als das Sandmännchen noch seinen abendlichen Schlafsand vom nachbarschaftlichen Bauhof jedesmal holte. Ich kannte C. sogar länger als meinen Kumpel, welchen ich erst in der 5.Klasse die Ehre hatte kennenlernen zu dürfen.
Mein Kumpel H. arbeitete bei einer grossen staatlichen AG im Bergbau. Das versprach reichlichen Fluss von Wismutfusel und sonstigen nicht im freien Handel erhältlichen Köstlichkeiten. Gerade zur Weihnachtszeit waren solche Argumente eine willkommene Bereicherung auf meinem Speiseplan. Ausserdem lebte ich gerade in Trennung und hatte auch keine sonstigen Verpflichtungen. Die „zwei“ um die sich jener weihnachtliche Weihnachtsmannaufwand inklusive Tannenbaum handelte, befanden sich gerade in einem unschuldigem, naiven Alter von 4 und 6 Jahren. Also jene kindliche Reifestufe, wo man zwar bei den Eltern schon einmal an deren Rechtgmässigkeit zweifeln konnte, aber der Weihnachtsmann das Mass aller Glaubensfragen und Wünsche natürlich war. Und so sah ich das auch mit der Verantwortung entsprechend verantwortungsbewusst. Weswegen ich mir ganz persönlich vornahm, alle nur möglichen Register der guten Weihnachtsmann mässigen Erziehung auszuschöpfen. Ich musste allerdings C. bei unserer Freundschaft „schwören“, mich strickt an das Protokoll zu halten und ja auch keine entsprechenden typischen gedanklichen Abkürzungen, oder gar Umwege zu nehmen. Das überzeugte mich dermassen, dass jene Frau wirklich völlig nicht nur in der Klemme steckte, sondern auch ziemlich verzweifelt sein musste. Also willigte ich nochmals ein und wir besprachen in Ruhe bei entsprechender flüssiger Untermalung, dass weitere Vorgehen. Es wurde nicht nur ein langer, sondern auch sehr fröhlicher Abend noch.

Drei Wochen hatte ich also nun noch Zeit, mich nicht nur geistig und moralisch auf jenes antisozialistische, kirchliche Propagantefest der Nächstenliebe vorzubereiten, sondern auch meine körperliche Fitness etwas wieder aufzufrischen. Immerhin wohnte besagte Familie in einem Hochhaus der Plattenbauweise. Und da der entsprechende Aufzug schon seit Jahren nicht den Wünschen entsprechend funktionierte, war ich natürlich gezwungen, die 7 Etagen bis kurz unter das halb undichte Dach die Treppe zu benutzen. Wäre auch kein weiteres Problem gewesen. Aber die Wunschliste der beiden Kinder und deren Erfüllungsstand welcher sich am Ende im Geschenkesack befinden würde, lag fast beim Körpergewicht eines ausgewachsenen Kleinkindes. Auf Deutsch, der Sack war nicht nur gross, sondern auch entsprechend schwer. Hinzu kam ja auch gewünschte Maskerade, welche mein tatsächliches Alter und Aussehen verschleiern sollte, mich noch mindestens 2000 Jahre älter machte als ich mich in diesem Augenblick schon fühlte. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen?

Drei Tage vor besagtem Grossereignis trafen wir uns noch einmal zu einem Kaffee, um die kleinen „Nebensächlichkeiten“ kurz abzusprechen.  Bei der Gelegenheit lernte ich gleich noch 5 weitere Frauen aus dem Wohnhochhaus kennen, welche mich fast anflehten, ebenfalls bei ihnen kurz vorbei zu schauen und den Weihnachtsmann zu miemen. Sie waren in einer „angeblich“ ähnlichen Situation und nun hoffnubngslos usw….der Rest der auf mich einplabbernden Damen hörte ich garnicht mehr. Es rauschte nur noch in meinen Ohren, ich war leicht angesäuert. Da es Arbeitskollegen von H. waren, sagte natürlich besagter „Freund“ kein Problem das macht der schon. Zumal wenn er schon mal hier ist. Also durfte, nein musste ich meinen ganzen schönen Terminplan umwerfen, um am gleichen Tag noch bei 5 anderen Familien den Weihnachtsmann zu spielen. Dafür verzichtete sogar meine Freundesfamilie darauf, als erste dran zu kommen. Wie grosszügig befand ich anschliessend. Wir einigten uns am Ende auf Beginn 18 Uhr der Aktion im Haus, so dass ich eigentlich kurz vor 20 Uhr bei C. und H. hätte mich hochschleppen können. Aber der Unterschied zwischen  Theorie und besagter Praxis, war schon immer ein Schwachpunkt in meinem Leben.

24.12. 17:45 Uhr

Laut Absprache befanden sich im Keller Berge von Kindergeschenken, welche ich je nach Familie in meinen Judesack einpacken sollte um die Kinder kurz zu beglücken. Begrüsst wurde ich auch von zwei Familienvätern, welche die Aufgabe hatten solange auf die Geschenke hier aufzupassen. Als erstes reichten sie mir erst einmal ein volles Glass einer durchsichtigen, am Gaumen und auf der Zunge leicht brennenden Flüssigkeit. Das Aroma war mir natürlich nicht unbekannt und so reichte ich nach dem ersten Glas noch einmal nach. Schliesslich musste ich ja mit zwei Beinen die ganzen Treppenstufen nach oben laufen. Anbei hatten die Hausdamen jener Familien mir noch kurze Informationen ihrer Kinder beigefügt, welche ich in Zettelform in ein grosses altes Buch legen konnte, um so den allwissenden Weihnachtsmann vorzutäuschen. In Ermangelung an passender Weihnachtslektüre musste in diesem Fall die gesammelten Werke von Marx, in Leder gebunden, herhalten. Ich konnte nur hoffen, dass keines der Kinder über Marxismus Leninismus schon etwas tiefgreifenderes wusste. Alleine dieser Weihnachtsmannbuchersatz wog schon ein paar Kilo.

Die Vorbereitungen waren wirklich sehr gut bis ins letzte Detail nicht nur geplant, sondern auch sehr gut umgesetzt wurden.  An dieser Stelle vielleicht noch einmal meinen Respekt den damaligen Damen. Selbst an einen kleinen Spiegel und eine Thermoskanne mit einer heissen Köstlichkeit, welche ich durch eine Geruchsprobe als Glühwein erkennen konnte, wurde gedacht. Allerdings auch der Hinweis, dass der Stoff als eine Art Belohnung für getane Arbeit gedacht war. Vorsichtig stellte ich also jenes hoffentlich auf mich wartende Edelgesöff wieder hin, packte die Sachen für die erste Familie, kontrollierte noch einmal meine Altersmaske und stapfte mit einem Ho Ho Ho in Richtung erster Wohnungstür, gleich im ersten Stock. Zur Auffrischung der Selbstsicherheit und natürlich auch gegen die Kälte im Treppenaufgang, nahm ich auf die Schnelle noch gerne einen Schluck aus der mir gereichten Flasche. Das Zeugs brannte zwar wie Fegefeuer, wärmte aber sofort und gründlich. Zumindest hatte ich nun das Gefühl die Stufen nach oben schweben zu können.


„Vom Walde draussen komm ich her….“, erschallte es nun selbstbewusst im Treppenhaus und ich klingelte bei Familie x.
„Der Weihnachtsmann, der Weihnachtsmann ist da….“, hörte ich freudige und erwartungsvolle Kinderstimmen, auf der anderen Seite der Papptür.
„Kinder. Der Weihnachtsmann ist daaaa… . Sollen wir ihn  reinlassen?“ Diese wirklich unqualifizierte Frage stellte jener Herr des Hauses, nachdem er mir öffnete. 
„Naja“, dachte ich. „Wie ein waschechter Wismutkumpel siehste nicht aus. Eher wie einer aus der Buchhaltung. Egal da musst du genauso jetzt durch wie ich.“ Also quetschte ich mich an ihm mit meinem Judesack vorbei und lief zielstrebig in das festtagsbeleuchtete Wohnzimer. 

Die Wohnungen in solchen Einheitsbaublöcken, waren alle gleich angelegt. So verwunderte es einen auch nicht, dass in fast jeder Wohnungen die Möbeleinrichtung und deren Aufstellung auch fast überall die gleiche war. Ging ja auch am Ende garnicht anders, war alles irgendwie Standart.
Der Tannenbaum war wirklich festlich geschmückt und sehr bunt. Viel Watte und Lametta. Dazwischen hingen und baumelten bunte Glaskugeln, Süssigkeiten und eine flackernde Kerzenkette. Alles stand fein säuberlich gerichtet auf einer noch feineren Weihnachtsdecke, die wiederum nur daauf wartete, vom Weihnachtsmann mit Geschenken befüllt zu werden. Gleich neben der fast Zimmer hohen Tanne, stand die akorat ins Festtagsornat gepresste Hausdame. Rechts und links an ihrer Hand, halb sich hinter ihr versteckend, standen nun die beiden Weihnachtswichtel.

Aus den Informationen welche ich kurz vorher erhalten hatte ging  herhvor, dass einer der ängstlich drein schauenden Kinder Papas Stolz, weil einziger Sohn war. Zudem sei er immer vorlaut, frech und der Mama gegenüber nicht gleich folgsam. Also ein typischer, verwöhnter  „Wanst“ meiner Zeit. Irgendwie erinnerte der „arme“ Kleine mich an meine eigene Kindertage. Er tat mir nun echt leid, weil er ja nicht wissen konnte, was auf ihn zukommen würde. 

Ich spürte plötzlich nicht nur die dunkle Macht in mir, sondern auch den Irrsinn dieser Situation. In der Schule lernten wir damals allen möglichen Sinn und Unsinn über das Leben und die Geschichte Aber zu Weihnachten verwandeltete sich plötzlich alles in ein liebenswürdiges, sich herzendes Irrenhaus. Bis hin zur kirchlichen Tratition des Weihnachtsmannes. Gesellschaftlicher Wiederspruch vom feinsten, welcher vom Regierungsproletariat nicht nur getragen, sondern sogar gefördert wurde. Selbst im Kindergarten wusste ein jedes Kind schon  nicht nur wo die Babys herkommen, sondern das die  Friedenswache mit verschrenkter MP vor der Brust für den Schutz der sozialistischen Erungenschaften jeden Tag vor dem bösen Klassenfeind ihr Leben riskierten. Kleine weisse Friedenstaube und andere Lieder wurden nicht nur auswendig gelernt, sondern regelrecht einstudiert. Aber immer in der Weihnachtszeit wurden nicht nur Weihnachtslieder an sich gesungen, sondern gerade auch die Mystik des Weihnachtsmannes auf’s neue zum Leben erweckt.
Das alles ging mir durch den Kopf, als ich das kleine ängstliche häufchen Elend an der Hand seiner Mutter so sah. Der wird sicherlich mal ein guter Parteigenosse wollte ich mich nun doch wieder auf das eigentliche Geschehen meiner verantwortungsvollen Aufgabe hier konzentrieren.
Erwartungsvoll schauten mich nun zwei Paar grosse, dunkel strahlende Kinderaugen an. Ich konnte regelrecht ihre Gedanken erspüren, den Angstschweiss riechen. Einmal war da die Unsicherheit ob der Alte wirklich alles wusste, oder vielleicht in seinem Buch der schlimmen Taten nachschauen würde? Auf der anderen Seite wieder die Erwartung, ob das so lange ersehnte Spielzeug dabei sein könnte. Ich bekam einen Stuhl hingeschoben auf dem ich mich setzen konnte, stellte den Sack neben mich und holte, nachdem ich die Rute vor mir schön sichtbar für die beiden abgelegt hatte, mein grosses schlaue marxistische Weihnachtsmannbuch aus dem Sack. Beide Eltern sassen mir nun schräg gegenüber auf der Couch und das ungleich grosse Geschwisterpaar stand ganz alleine wehr und willenlos im Zimmer dem Weihnachtsmannersatz gegenüber. 

Die Inquisition war somit  eröffnet.



Das sollte es für heute erst einmal gewesen sein. Ich beende hier diese Erinnerungsgeschichte, auch wegen ihrer Überlänge und fahre in ein paar Tagen an gleicher Stelle fort, wenn es dann heisst….

„Un nune sachste mir noch vernünftsch n kleenes Weihnachtgedicht of…..“


Schönen 2. Restadvent übrigens noch an dieser Stelle, euer


rolf

8 Kommentare:

  1. Ohhhh, grade wo es Spanned wird .-)
    schönen 2.Advent, hoffe es geht noch vorm 3.Advent weiter :-)
    hohoho

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  2. Öhm ja Bianca. Mit Sicherheit. Muss mich erst einmal selber von diesem "Erinnerungsschock" wieder erholen und "ausnüchtern". ;-)


    LG rolf

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  3. Na also das geht ja gar nicht, jetzt wo wir doch alle wissen wollen, wie es sozialistisch weiterging.,

    Übrigens Glückwunsch zu der treffend formulierten Selbsterkenntnis, der Trick funktioniert übrigens bei fat jedem mann auch heute noch, ein bissel bauchpinseln und die Wünsche gehen in Erfüllung

    LG Shoushou

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  4. Nabend Shoushou.


    Das mit dem Bauchpinseln beim Mann, bekommt ja Frau schon mit der Muttermilch mit. Und wenn nicht, wird es beim Windeln nachgeholt. Wohingegen wir "armen" Männer, um jedes bissschen wirklich am Ende kämpfen müssen. Nur wir sind so "weniger" fantasivoll ( dumm wollte ich hier nicht sagen ),als das wir es bemerken, oder gar wissen. ;-)

    Der Wille des Mannes, verhält sich zum Willen der Frau, wie eine Fliege, welche in einen Mustopf gefallen ist. ;-) Scheint ja was dran zu sein. :)

    Sozialistisch? Na ja. Aber weiter geht es auf alle Fälle. Jedenfalls noch mit der einen Episode. Alles kann ich nun nicht mehr hier einstellen. könnte ja sobnst gleich das ganze Teil hier veröffentlichen. ;-)


    Schöne gebauchpinselte Restwoche übrigens noch.


    LG rolf

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  5. na, da bin ich ja mal auf die fortsetzung gespannt :D
    und? war der nikolaus heute bei dir? oder warst du nicht brav genug? ^^
    schöne adventswoche!

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  6. Morgen Manu.

    Neee. Der olle Sack hat hier im Haus noch keine Niederlassung. Selbst wenn ich die ganzen Strassengehtreter der Nachbarschaft auf Hochform wichsen würde, dass sie glänzen würden wie der Spiegelsaal..... :(
    Wie heisst es so schön?
    "...die guten sterben immer zuerst...."
    Man muss sich richtig schämen, dass man überhaupt noch lebt. ;-)
    Aber ich habe ja nun wieder 365 Tage Zeit, fleissig an meinem Imago zu polieren. Vielleicht funktioniert es ja im nächsten Jahr? ;-)


    Euch auch da oben hoch im Weihnachtsnorden.


    rolf

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  7. Lieber Rolf,

    da bin ich aber neugierig wie es weitergeht. :-)
    Nimmst du heute auch noch solche Aufträge an? :-)

    Liebe Grüße,
    Martina

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  8. Liebe Mamü


    Ich werde mich hüden solche Sachen heute noch einmal zu machen, oder gar zu versuchen. Eigentlich ist das auch hier in der Gegend zum Glück nicht nötig. Man und auch "Mann", nimmt andere Drogen zu sich und glaubt schon garnicht mehr an gewissen alten Mann. Ausserdem gibt es hier auch zum Glück in unmittelbarer Nähe keine solchen Wohnhochhäuser. Keine Ahnung, ob in der Schweiz es eigentlich wirklich solche Arten von Wohnställen gibt. ;-)

    Schöne Woche euch auch noch.

    LG robe

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